Grauenhafte Idioten
Standpunkt: Finning ist ein mehrfaches Verbrechen
Es ist unfassbar, das Bild, das dank der ägyptischen Umweltorganisation HEPCA und der Voodoo-Divers gerade durchs Netz gereicht wird. Ein Hai an der Nordostseite der großen Giftuninsel vor Hurghada verendet, seiner Flossen beraubt, auf dem Meeresgrund. Jedes Jahr werden auf diese bestialische Weise Millionen von Haien umgebracht – und falls es jemand noch nicht wissen sollte: Den Haien werden die Flossen bei lebendigem Leibe abgeschnitten und dann werden sie auch lebend zurück ins Wasser geworfen.
Vage Hoffnung in China
Immerhin gibt es hoffnungsvolle Zeichen. So hat die Regierung der Volksrepublik China publikumswirksam darauf verzichtet, zu Staatsbanketten in Zukunft noch Haifischflossensuppe zu reichen. In Shanghai gibt es im See-Aquarium eine große Ausstellung zum Thema Finning. So scheint sich die größte Haifischflossensuppen-Nation jetzt, wenigstens nach außen hin den Haisschützern angeschlossen zu haben. Allerdings steigt der Konsum im Land trotzdem noch jährlich um rund fünf Prozent an. Doch in ganz Südostasien gilt die Flosse des Hais als Delikatesse und so wird den Tieren noch Jahrzehnte lang hart zugesetzt werden. Wenigstens Malaysia hat vor einem Teil seiner Küsten Borneos den Haifang verboten. Allerdings stammen etwa ein Drittel der Haifischflossen aus europäischen Fängen. Im übrigen ist die Suppe in Deutschland ebenfalls nicht verboten.
Ägypten setzt auf den asiatischen Markt
Bilder wie das vom Riff von Hamda könnte es in Ägypten in Zukunft häufiger geben. Denn nach dem Ausbleiben der Gäste aus Europa und aus Russland schaut sich das ägyptische Fremdenverkehrsministerium nach neuen Märkten um und ist dabei auf die inzwischen recht reiselustigen aufstrebenden asiatischen Staaten wie China, Malaysia oder Indonesien gekommen. Diese Klientel strebt in die Luxus- oder High-End-Kategorie. Auch da hat Ägypten derzeit viele leere Hotelzimmer zu bieten. Nun ist es leider so, dass die weltweiten Bemühungen um den Schutz der Haie die Preise für ein Kilo Haifischflosse enorm in die Höhe getrieben hat. Inzwischen werden 600 US-Dollar für ein Kilo getrockenete Haifischflosse bezahlt. Der enorme Preis macht sie noch begehrter, denn nun sind sie auch noch ein besonderes gefragtes Prestigeobjekt. Und die Zahl derer, die sich den Luxus leisten können, wächst in China und den sogenannten Tigerstaaten enorm. Für Ägypten heißt das: Wenn jetzt noch kein Markt im land für Haifischflossen da ist, wird er entstehen.
Schwerer Schaden für das Land
Die abgeschnittenen Flossen vor Stone-Beach sind in mehrfacher Hinsicht ein Verbrechen. Einerseits fügen sie dem Tier grässliche Schmerzen zu, andererseits fehlt der Unterwasserwelt sowohl ein regulierendes Element, als auch eine Attraktion für Taucher. Es gibt etliche Untersuchungen, die besagen, dass ein lebender Hai für das Land viel mehr Geld bringt, als ein toter. Und schließlich kostet dieses Bild Ägypten wieder unglaublich viel Renomee. Auch das ist letztlich ein wirtschaftlicher Schaden, in einem Moment, in dem das Land sowieso leidet. Sollten ägyptische Fischer dafür verantwortlich sein, hätten sie ihrem Land schweren Schaden zugefügt.
Not kennt kein Gebot
Andererseits sind 600 Dollar für Kilo Flosse unglaublich viel Geld für einen ägyptischen Fischer, der letztlich unter der Tourismuskrise seines Landes ähnlich ächzt, wie Taxifahrer oder Kellner in Hurghada. Auch der Fischer muss ja vor irgendetwas leben – und wenn er in diesem Moment ein unmoralische Angebot erhält, wird er lieber einen Weißspitzenhai verhungern lassen, als seine Kinder. Das klingt krass, ist aber so.
Wohl kein System
Die Auffinde-Situation des gefinnten Hais läßt darauf schließen, dass es vor Hurghada vermutlich keine systematisch Hai-Jagd gibt, sondern dass das Geschehen eher dem Prinzip „Gelegenheit macht Diebe“ entsprungen ist. Trotzdem musss es ja einen Auftraggeber oder wenigstens einen Abnehmer für die Flossen geben – und den gilt es jetzt zu finden, möglichst schnell. Vielen Strandtouristen ist es wahrscheinlich völlig egal, was mit den Haien dort draußen an den Inseln passiert. Doch diese Strandtouristen sind kaum noch da. Die letzten standhaften Urlauber sind doch die wenigen Taucher, die durch solche Bilder auch noch vertrieben werden. Deswegen muss man die Verantwortlichen finden.
Mehr Taucher weniger Finning
Allerdings wird auch umgekehrt ein Schuh draus. Wenn es um die Inseln vor Tauchbooten nur so wimmelt, ist es für einen Fischer schon verdammt schwierig, einen Hai raus zu ziehen, ihm die Flossen abzuschneiden und ihn dann wieder ins Wasser zu werfen. Das Risiko bei einem solchen Frevel endeckt zu werden wäre dann doch zu hoch. Taucher, die in den letzten Jahren Ägypten aus Terrorangt gemieden haben und nun laut auf das Land schimpfen, sollten sich eines vor Augen halten: Je mehr Taucher nach Hurghada oder überhaupt ans Rote Meer kommen, desto mehr geht auch die Gefahr zurück, dass Fischern Haie die Flossen abschneiden.
Peter S. Kaspar
Bild: Voodo-Divers