Die Wahrheit über Moby Dick
ZDF zeigt die Dokumentation „Aufstand der Wale“
Zu Lebzeiten wurden von Herman Melvilles Roman „Moby-Dick oder Der Wal“ gerade mal 3000 Exemplare gedruckt. Erst nach seinem Tod fand das Werk Eingang in die Kategorie „Weltliteratur“ und steht seither auf einer Ebene mit „Robinson Crusoe“ von Daniel Defoe oder „Lederstrumpf“ von James Fenimore Cooper.
Wer sich ein wenig mit Melville beschäftigt hat, weiß, dass er bei „Moby Dick“ aus dem eigenen Erfahrungsschatz schöpfen konnte, denn er fuhr selbst als Harpunier auf Walfang. Und auch, dass die von einem Pottwal 1820 versenkte „Essex“ Melville als literarische Vorlage diente, ist soweit bekannt. Doch mit der Dokumentation „Der Aufstand der Wale“ zeigt das ZDF, dass hinter der Geschichte von Kaptain Ahab viel, viel mehr steckte, als den meisten bislang bekannt war. Tatsächlich gab es einen weißen Wal im westlichen Pazifik, unweit der Insel Mocha vor der chilenischen Küste, der immer wieder Walfänger angriff. Fracht- oder Passagierschiffe blieben dagegen unbehelligt. Der Name, den ihm die Einheimischen gaben: „Mocha Dick“.
Pottwale jagten Walfänger
Doch es war nicht der einzige Pottwal, der seinerseits Jagd auf Walfänger machte. Der erste Vorfall wurde im Oktober 1807 im Atlantik aufgezeichnet. Die Mannschaft konnte sich nur mit Mühe in den Fangbooten bis zu den Azoren retten. Von da an wurde immer wieder von allen Meeren der Welt berichtet, wie große männliche, fast weiße Pottwale, Fangschiffe stets von der gleichen Seite an der gleichen Stelle angriffen.
Die Verluste der Walfänger waren so groß, dass die Kapitäne in New Bedford (Massachusetts) beschlossen, gezielt Jagd auf den in ihren Augen teuflischen und aggressiven Wal namens „Macho Dick“ zu machen. Die Jagd endete, etwa wie in Moby Dick beschrieben, in einem Fiasko.
Der Spuk endet mit der „Ann Alexander“
Diese Dokumentation steckt voller überraschender Erkenntnisse. So verblüfft beispielsweise, dass die Schiffsschmiede, die die Harpunen herrichteten, ursächlich mit dem Auftauchen der weißen Wale zu tun hatten. Ebens0 überraschend ist das Ende. Am 20. August 1851 wird im Südpazifik die „Ann Alexander“ angegriffen. Es ist das letzte Schiff, das dem Angriff eines Pottwal zum Opfer fällt. Es hat nie wieder eine Attacke in dieser Art gegeben. Warum, weiß keiner.
Dem ZDF ist in Zusammenarbeit mit dem deutsch-französischen Kultursender „arte“ eine außergewöhnliche Dokumentation gelungen, für die Jürgen Stumpfhaus verantwortlich zeichnet. Sie vermittelt einen spannenden Einblick in eine Zeit, da der Walfang eine kleines Nest an der amerikanischen Ostküste zur reichsten Stadt der USA machte. Vor allem aber zeigt sie, dass hinter der offenbar so fantastischen Geschichte des nahezu mystischen weißen Wals mehr Wahrheit steckt, als man sich je ausgemalt hätte.
ZDF: Sonntag, 1. März, 19.30 Uhr in der Reihe Terra X: „Der Aufstand der Wale“
Text: Peter S. Kaspar
Titelbild: Gabriel Barathieu