Haie in Ohnmacht
Ein atemberaubendes Schauspiel in den Gärten der Königin
Vor der Südküste Kubas liegt das Archipel „Jardines de la Reina“, was soviel bedeutet, wie „Gärten der Königin“. SW-Autor Phil Simha besuchte dieses außergewöhnliche Tauchgebiet und sein schwimmendes Hotel „Tortuga“. Unter anderem erlebte er dort ein atemberaubendes Schauspiel mit drei Meter langen Seidenhaien. Hier ein Ausschnitt aus deiner großen reportage, die in der vergangenen Woche in der Printausgabe der Silent World erschienen ist.
In den folgenden Tagen erhält der Begriff Kontakt noch mal eine neue Dimension. Auf dem Programm steht betonte Regungslosigkeit mit Seidenhaien. Auf der zum Ozean hin offenen Seite der Jardines de la Reina sind immer Seidenhaie anzutreffen, auch ohne Fischköder. Und sie versammeln sich, wenn sie ankommende Schiffe wahrnehmen. Die Betreiber der „Tortuga“ leben schon in dritter Generation mit den Seidenhaien. Deswegen sind diese so zutraulich und die Tauchlehrer, die sie gut kennen, können mit ihnen spielen wie mit jungen Hunden. Dabei bekommen die Seidenhaie allenfalls nur kleine Fischhappen, sozusagen als Belohnung.
Im Vergleich mit den Karibik-Riffhaien sind die Seidenhaie sehr agil, mit raschen Bewegungen, und zögern auch nicht, an unseren Neoprenanzügen zu schnuppern. Währenddessen entledigt sich über mir unser Tauchguide Fausto seines Atemgerätes. Ausgerüstet nur mit Maske und Flossen beobachtet er die Tiere, welche um ihn herumschwimmen. Ein männlicher Seidenhai von zwei Metern Länge lässt sich wiederholt das Rückgrat streicheln. Das ist ein gutes Zeichen. Beim nächsten Mal fasst er vorsichtig nach der Spitze der Schwanzflosse. Der Hai wird sogleich regungslos, fällt in Lethargie und kippt mit dem Kopf nach vorn in Richtung Grund. Fausto nimmt einen tiefen Atemzug und taucht, die Hand weiter den Hai berührend, mit ihm ab. Er gleitet an seiner Rückenflosse entlang bis zu seiner Schnauze. Das Tier bleibt absolut regungslos. Von der Schwanzspitze bis zur Spitze der Schnauze haben die Berührungen von Fausto sensorische Schlüsselstellen berührt, die beim Hai eine Form von temporärer Körperstarre hervorruft.
Während dieser Szenerie verbreitet sich im Wasser eine Atmosphäre von Ruhe und Gelassenheit. Wie in einer Zaubershow, wo sich alles direkt vor den Augen abspielt, ohne dass man genau versteht, wie das gehen kann. Fausto lässt den Hai los und kehrt an die Oberfläche zurück, um einen tiefen Atemzug zu nehmen. Der Hai schüttelt weder seine Flossen noch springt er auf wie nach einer Hypnose. Als wäre nichts geschehen, nimmt er einfach sein elegantes Schwimmen wieder auf und bleibt gänzlich unberührt von der Stimmung, die er bei uns hinterlässt.
Wissenschaftlicher Hintergrund statt Touristenbespaßung
Fausto de Nevi Herrera, Tauchguide bei Cuba-Diving/Hotelschiff „Tortuga“ berichtet, dass dieses Spiel mit den Raubfischen nicht allein der Belustigung von Gästen dient, sondern auch einen wissenschaftlichen Hintergrund hat: „Diese Arbeit mit den Haien entstand vor etwa 15 Jahren, ganz per Zufall. Dann begannen wir das Thema zu erforschen und haben Biologen eingeladen, um das Phänomen zu studieren. Nicht alle Arten reagieren auf dieselbe Art und Weise. Bei den Karibik-Riffhaien ist es unmöglich die Schwanzflosse zu fassen, da muss man bei der Rückenflosse beginnen, einige lassen das zu, andere nicht. Hier bei uns sind die Seidenhaie die gefügigsten. Danach spielt sich alles auf der Ebene der Schnauze ab.
Vom Grossen Weißen bis zum Seidenhai – viele Haie scheinen in eine Katatonie zu fallen, wenn man über ihre Lorenzinischen Ampullen streicht, die leistungsfähigen Sensoren, welche sich auch über die ganze Schnauze verteilen. Die Haie werden starr, halten sich im Gleichgewicht deiner Handfläche. Und sobald du die Hand wegziehst – kein Erstaunen, keine Aggressivität, denn der Hai hat keinerlei Aggression erlebt und nimmt einfach sein Schwimmen wieder auf. Seit Jahren studieren wir dieses Verhalten ohne, dass es je einen Unfall gab, ohne, dass die Tiere negativ beeinflusst werden. Und wir achten immer auf einen Kontext der so natürlich wie möglich ist. Ich glaube, es ist weltweit wirklich eine einmalige Umgebung, um diese Art des Tauchens zu erleben.“
Mehr Infos bei: www.cuba-diving.de oder www.nautilus-tauchreisen.de
Text und Fotos: Phil Simha
Den kompletten Artikel gibt es in der Silent World Nummer 30, die seit einer Woche im Handel ist.
Der Schiffstransfer zwischen der kleinen Hafenstadt Júcaro auf Kuba und dem schwimmenden Hotel „Tortuga“ in den Gärten der Königin dauert etwa dreieinhalb Stunden. Die Unterkunft der „Tortuga“ ist eine Art Ponton mit einem zweigeschossigen Aufbau. Im unteren Deck befinden sich alle Versorgungseinrichtungen, im oberen Deck die sieben komfortablen Kabinen für normalerweise 16 Gäste (in Ausnahmefällen können maximal 24 Gäste untergebracht werden). Alle Kabinen sind mit einer individuellen Klimaanlage und einer abgetrennten Nasszelle (Dusche/WC) ausgestattet. Das Restaurant bietet sehr schmackhafte Gerichte, vornehmlich mit Fisch und anderen Meerestieren. Für Drinks in gemütlicher Runde empfiehlt sich die kleine Bar auf dem Achterdeck. Dort ist auch das WLAN-Signal für die Nutzung des Internets am stärksten. Das Tauchpaket für eine Woche geht von Samstag bis Freitag und umfasst 15 Tauchgänge. Die Tauchplätze sind etwa 10 bis 30 Bootsminuten entfernt. Gewöhnlich findet am Vormittag eine Ausfahrt mit zwei Tauchgängen statt. Zusätzliche Tauchgänge (auch nachts) sind möglich. Leihausrüstungen sind vorhanden, Nitrox ist noch nicht verfügbar