Ein Fressen für die Medien-Haie
Standpunkt
Was am Elfinstone tatsächlich geschah
Die Bildzeitung titelte mit einer „schwerverletzten Taucherin“, die BZ wußte von der Attacke eine „Langflossen-Mako“, der Focus beruhigte immerhin damit, dass die Taucherin „in einem stabilen Zustand“ sei. Da klingt nach großem Drama und Lebensgefahr, was sich da am 2. Dezember 2020 am Elphinstoneriff nahe Marsa Alama abspielte. Doch die Betroffene konnte derweil schon wieder in die Kamera lachen, wie auf der Homepage von Red Sea Diving Safari in Marsa Shagra zu sehen ist. Tatsächlich war sie am linken Oberarm von einem Weißspitzen-Hochseehai (Carcharhinus Longimanus) attakiert worden, und musste danach an zwei Wunden „mit wenigen Stichen“, wie es aus Marsa Shagra heißt, genäht werden.
Woher kommt der Makohai?
Wie es zu dem Phantom-Mako kommen konnte, ist einigermaßen schleierhaft. Das Elphinstoneriff ist für seine Weißspitzen-Hochseehaie bekannt und bei Tauchern auch beliebt. Teilweise mehrere Haie versammeln sich immer wieder unter Safari- und Tagesbooten. Ein Unfall wie der vom 2. Dezember ist am Elphinstoneriff, aber auch an den Brother Islands oder am Daedalus-Riff jetzt sicher nicht alltäglich – aber auch nicht ganz ungewöhnlich. Immer wieder mal kommt es vor, dass ein neugieriger Longimanus zuschnappt. Ein Biss bleibt nie folgenlos, dazu sind die Zähne des Lonigimanus einfach zu groß und zu scharf. Doch von der Dramatik, wie nun in der Boulevardpresse beschrieben, sind solche Vorfälle weit entfernt. Anders sieht es vermutlich aus, wenn es sich tatsächlich um einen Mako gehandelt hätte. Ob es dann bei einigen Stichen geblieben wäre, ist schon mehr als fraglich. Makos sind größer und vor allem schneller, vermutlich auch aggressiver. Sie sind als Hochseehaie allerdings extrem selten. Allerdings lässt sich ein Mako-Angriff gerade deshalb medientechnisch besser verkaufen.
Verhaltensfehler häufig Ursache
Gute Safariboote haben meist Videomaterial an Bord, auf dem sehr gut dokumentiert ist, was Taucher falsch machen können, wenn sie einem neugierigen Longimanus begegnen. Zappeln und panisch davon schwimmen gehören zu den Kardinalfehlern. Die Empfehlung an Taucher lautet: zusammen bleiben, vertikale Stellung und die Haie im Auge behalten. Letzteres ist aber gar nicht immer so einfach. Die Verletzung am hinteren Oberarm und ein sehr wackeliges Video aus dem ägyptischen Fernsehen lassen zumindest vermuten, dass im vorliegenden Fall die Frau einfach Pech hatte und den Hai gar nicht kommen sah.
Tauchpause in der Korallenzone
Ein wenig unklar sind nun die behördlichen Konsequenzen. Der Gouverneur von Red Sea, Amr Hanafi, habe laut Nachrichtenmagazin Fokus, angeordnet, „alle Tauchaktivitäten in der Korallenzone für drei Tage einzustellen.“ Ob damit nur das Elphinstone-Riff oder die gesamte Küste der Provinz Red Sea gemeint ist, ist nicht so ganz klar.
Peter S. Kaspar
Foto: Manuela Kirschner