Die Zukunft kann kommen
Was wird aus dem Reiseland Ägypten?
Das Rote Meer ist das Hausriff Europas. Kein tropisches Tauchparadies ist so schnell zu erreichen, nirgendwo werden mehr Sporttaucher ausgebildet. Fast alles passiert in Ägypten. Die anderen Anreinerstaaten haben entweder zu wenig Küste (Israel oder Jordanien), lassen keine Touristen ins Land (Saudi Arabien, Eritrea) oder sind für Europäer schlicht zu gefährlich (Sudan, Jemen). Vier Jahre mit Revolutionen, Umsturz und Wirtschaftskrise haben Ägypten schwer getroffen. Der Tourismus, eine der Haupteinnahmequellen des Landes, kam fast zu erliegen. Und das bekam auch die Tauchindustrie zu spüren, denn wer das Tauchen nicht lernt, kauft auch keine Ausrüstung und reist auch nicht zu anderen Tauchdestiantionen.
Wird Berenice das nächste Taucherparadies?
Und so hoffen nicht nur die Ägypter auf eine Besserung, sondern die gesamte Tauchbranche hofft, dass es am Roten Meer wieder aufwärts geht. Doch die Rückkehr zur Normalität entwickelt sich unterschiedlich. So erlebt die Westküste, also die Region zwischen El Gouna uns Hamata, in diesem Herbst fast einen kleinen Boom. Viele Hotels waren im November – nicht gerade eine klassische Urlaubszeit – tatsächlich ausgebucht. Und schon beginnen sich langsam auch wieder Zukunftspläne zu regen. Zum Beispiel ganz im Süden. Hinter dem Dorf Hamata kommt noch Wadi Lahamy, dann nichts mehr. Es sind noch ein paar Kilometer zu einem Checkpoint, an dem kein Ausländer mehr durchgelassen wird. Von dort bis Shalatine an der Sudanesischen Grenze sind es noch etwas über 100 Kilometer. Das heißt, auch noch mehr asls 100 Kilometer fast unberührte Riffe, die bestenfalls mit Safaribooten erreicht werden. Das weckt Begehrlichkeiten. Zum Beispiel auf jene Halbinsel nahe dem Ort Berenice, kaum 20 Kilometer südlich von Hamata. Das Problem: Eines des vielversprechnendsten Tauchgebiete liegt in militärischem Sperrgebiet. Doch das muss nicht so bleiben. Ägyptische Unternehmer haben sich angeblich schon Land gesicht, für den Tag, an dem das Sperrgebiet freigegeben wird. Ägyptens Tourismusminister Zassou hat bei einem großen Tourismusevent in Luxor jüngst in Aussicht gestellt, dass das Gebiet in zwei Jahren geöffnet werden könnte. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob der Militärflughafen von Berenice in Zukunft auch öffentlich genutzt werden kann. Die meisten touristischen Flughäfen in Ägypten waren ursprünglich Fliegerhorste der Luftwaffe. Und es ist kein Staatsgeheimnis, dass auch das ägyptische Militär vom Tourismus kräftig profitiert.
Taucher-Event in Dahab wirbt für den Sinai
Neidvoll blickt man vom Sinai aus auf die Westküste. Die Wiederbelebung des Tourismus ist dort bislang ausgeblieben. Wenn überhjaupt noch Urlauber auf die Halbinsel kommen, dann sind es Taucher. Für Bildungsurlauber etwa ist der Sinai uninteressant geworden, weit die Behörden die Urlaubsort faktisch dicht gemacht hat. Ausflüge etwa zum weltberühmten Katharinenkloster sind derzeit kaum möglich. Hintergrund ist der sich verschärfende Konflikt zwischen den ägyptischen Sicherheitskräften und islamistischen Terrororganisationen, die sich den Norden des Sinais als Rückzugsgebiet gewählt haben. Das hat seine Gründe. Die berühmt-berüchtigten Versorgungstunnel in den Gezastreifen sind eine wichtige Geldquelle für die Islamisten. Und hier will nun die ägyptische Armee ansetzen und einen 25 Kilometer breiten Sicherheitsgürtel an der Grenze des Gazastreifens einrichten. Damit soll der Tunnelbetrieb unterbunden werden. Es handelt sich dabei übrigens nicht um handgebuddelte Erdlöcher, sondern um Tunnels, die auch von Lastwagen befahren werden können. Sollte die Rechung der ägyptischen Militärführung aufgehen, könnte sich demnächst auch die Sicherheitslage auf dem gesamten Sinai wieder deutlich verbessern und damit auch wieder die Touristen zurückkehren. Doch bis es soweit ist, versuchen sie sich auf dem Sinai irgendwie selbst zu helfen. Da ist zum Beispiel die „Blue Hole Diving Challenge„, eine Veranstaltung in Dahab, die Taucher auf die Halbinsel locken soll.
Kulturbeflissene sollen zum Sightseeing untertauchen
Ein anderer Ort in Ägypten, der bislang weniger durch Tauchen, als vielmehr durch Kultur und mediterranes Flair aufgefallen ist, ist Alexandria. Doch Ägyptens zweitgrößte Stadt beherbergt die einzige Tauchbasis an der Nordküste. Und kein geringerer als der Gouverneur Tarek al Magdy will nun Tauchern die untergegangenen Schätze seiner Stadt schmackhaft machen: „Wir haben sehr viele Sehenswürdigkeitzen unter Wasser“, erklärt er in einem Gespräch mit Silent World online. Neben dem Palast von Kleopatra und den Überresten des Leuchtturm von Pharos, der – wie die Pyramiden vonn Gizeh – zu den sieben Weltwundern gezählt wird, nennt der Gouverneur auch noch die napoleonische Flotte, die 1798 in der Bucht von Abu Kir ihr Ende fand. Abu Kir gehört heute zu Alexandria. Der Gouverneur glaubt, dass gerade für deutsche Taucher die Gewässer im Norden des Landes interessant sein könnten. „Für viele Deutsche ist der Kulturtourismus sehr wichtig“, erklärt Tarek al Magdy und deutet damit an, dass sich Kulturtourismus durchaus auch unter Wasser fortsetzen läßt.
10 Pfund für ein Stückchen Kanal
Insgesamt hat sich die Stimmung in Ägypten in den letzten Monaten spürbar verbessert. Die Versorgungslage ist besser geworden, das Stromnetz erlennbar stabiler. Das alles trägt zu einer Entspannung in der Bevölkerung bei, die letztlich auch beim urlauber ankommt. Von den Ägyptern hören sie inzwischen erstaunliche Geschichten, etwa von Projekt des zweiten Suezkanals. Tatsächlich wird schon daran gebaut. Zukünftig soll der Kanal, der zu den wichtigsten Schifffahrtsstarßen der Welt gehört, nicht mehr nur im Einbahnverkehr befahren werden. In den kühnsten Träumen rechnen die Optimisten dann mit einer Verdopplung der Kanaleinnahmen. Das die meisten Ägypter diesen Optimismus teilen, zeigt eine erstaunliche Tatsache. Innerhalb einer Woche hatte Ägyptens Staatspräsident Abdel Fatah al Sisi das Geld für den Bau eingesammelt – und zwar über Aktien, die nur an Ägypter ausgegeben wurden. 6,7 Milliarden Euro sind so innerhalb weniger Tage zusammengekommen. Bei einem Aktienpreis von 10 Pfund hatten sich selbst arme Ägypter ein winziges Stückchen des neuen Kanals gesichert.
Es bewegt sich also einiges in Ägypten. Die Hoffnung auf bessere Zeiten scheint also nicht unbegründet. Am Hausriff Europas dürfte also bald wieder mehr los sein.
Text: Peter S. Kaspar Fotos: Peter S. Kaspar, Mohamed Farag