Die Mutter aller Safarischiffe
Die bewegte Geschichte der Rennjacht und Forschungsschiffes „Xarifa“
Was haben Tauchsafarischiffe mit Nähmaschinen zu tun? Nichts, sollte man spontan meinen. Tatsächlich war es der amerikanische Nähmaschinenhersteller F.M. Singer, der sich 1927 auf der englischen J. Samuel White-Werft in Cowes eine Rennjacht bauen ließ und die auf den Namen „Xarifa“ taufte. Da macht es bei dem ein oder anderen Taucher schon „Klick“ – „Xarifa“, da war doch was. Ja, es handelt sich um das spätere Forschungsschiff von Hans Hass.
Doch zunächst einmal sollte die „Xarifa“ den Ruhm des Nähmaschinenherstellers mehren. Das gelang drei Jahre mehr oder minder gut, dann starb Singer. Nun ging der schnittige Segler Jahre lang von Hand zu Hand, wechselte mehrfach seinen Namen, ging einmal unter: Die drei Masten und der 70 Tonnen schwerer Kiel aus Blei wurden demontiert. Am Ende blieb der einst so stolzen Rennjacht gerade mal 20 Jahre nach ihrem Stapellauf nur noch das unwürdige Gnadenbrot als Kohlefrachter in Dänemark.
Dort entdeckte Hans Hass das Schiff, das inzwischen unter dem Namen Capitana lief. Hass hatte sich mit seinen beiden Unterwasserfilmen „Menschen und Haien“ (1947) und „Abenteuer im Roten Meer“ einen Namen und vor allem richtig Kasse gemacht.
Titelheld mit 550 Quadratmetern Segel
Im Grunde kaufte er nur noch den Rumpf des alten Rennseglers und ließ daraus ein Forschungsschiff nach seinen Vorstellungen bauen, 43 Meter lang, drei Masten bis 33 Meter hoch, 550 Quadratmeter Segelfläche, 350 Tonnen schwer und das ganze ausgerüstet mit einem 230 PS-starken Hilfsmotor. Hans Hass gab dem Schiff seinen alten Namen zurück und ließ es 1953 vom Stapel laufen. Und dann begann die kurze, aber sehr wirkungsmächtige Karriere als Forschungsschiff. Ein weiterer Film entstand, in dem die „Xarifa“ gar zur Titelheldin avancierte: „Expedition „Xarifa““. Die erster Forschungsreise führte in die Karibik und zu den Galapagosinseln, die zweite durch das Rote Meer und zu den Malediven. Billig waren diese Expeditionen nicht, im wissenschaftlichen Bereich war Hass durchaus umstritten und so mussten die Reisen letztlich über Film- und Fernsehproduktionen finanziert werden. Da kam ein Auftrag des damaligen Süddeutschen Rundfunks (SDR, heute Teil des SWR) gerade recht. Gemeinsam mit der BBC beauftragte der Stuttgarter Sender Hans Hass, auf der zweiten „Xarifa“-Expedition 26 Folgen á 30 Minuten zu produzieren. Im aufkommenden TV-Zeitalter entsprach diese Serie genau den Vorstellungen vom Bildungsfernsehen.
„Xarifa“ stand für Freiheit und Abenteuer
Trotzdem weckte die „Xarifa“ ganz andere Gefühle unter den Zuschauern, als es etwa die „Calypso“ von Jacques-Yves Cousteau vermochte. Die „Calypso“ war ein umgebauter amerikanischer Minensucher. Sie sah nach kühler Wissenschaft und harter Arbeit aus. Die „Xarifa“ aber verhieß Freiheit und Abenteuer. Viele, die ihre Kindheit in den 60er erlebten und später Taucher wurden, erinnern sich noch heute daran, dass ihre Tauchsehsucht mit den Filmen von Hans Hass geweckt wurde. Die Fahrten der „Xarifa“ legten die Grundlagen für die Vorstellung, wie Tauchsafaris ablaufen könnten.
Hass verkauft bereits 1960 die „Xarifa“ wieder. Käufer war Carlos Tragilio, ein italienischer Immobilienmakler und italienischer Lizenznehmer von Coca-Cola. Es mag möglicherweise eine Rolle beim kauf gespielt haben, dass die „Xarifa“ damals die größte Segeljacht Europas war, noch ein wenig größer als die Creole, die Segeljacht des griechischen Tankermoguls Stavros Niarochs. Tragilio ließ die „Xarifa“ wieder in ihren ursprünglichen Zustand von 1927 versetzen, legte sie in Monte Carlo an die Kette und dort lag sie, fast ohne Unterbrechung 53 Jahre lang. Nach Tragilios Tod im vergangenen Jahr, kaufte ein spanischer Unternehmer die „Xarifa“. Heute liegt die „Xarifa“ im Hafen von Barcelona.
Text: Peter S. Kaspar Fotos: Gio von Gryneck (WP)/Michael Jung (wp)