Taucher

Warum die Welt die Taucher braucht

Standpunkt: Über Irrtümer und Wahrheiten in Sachen Umweltschutz

Vor ein paar Tagen erregte sich eine junge Frau sehr lautstartk am Tresen meiner Stammkneipe über die schrecklichen Taucher, die ja nichts anderes im Sinn hätten, als die Umwelt zu zerstören. Sie berichtete von – in der Tat – sehr fragwürdigen Erlebnissen in Hurghada, die sich allerdings fast ausschließlich auf Schnorchelausfahrten bezogen. Trotzdem konnte sie mir sehr detailliert erklären, dass sämtliche Riffe vor Hurghada von Tauchern totgetrampelt worden seinen. Ich gab mich dann nicht nur als Taucher zu erkennen, sondern auch als einer der seit fast 25 Jahren dort taucht – und nach ihrer Theorie wohl auch zu denen gehöre, die die Riffe totgetrampelt haben. Spätestens, als ich ihr erklärte, dass das Sporttauchen vermutlich mehr für den Umweltschutz erreicht hat, als alle Umweltschutzorganisationen dieser Erde zusammen, machte sie sich ernsthaft Gedanken darüber, wie sie mich in die nächste Klapsmühle einweisen lassen könnte – nach dem ich mit ihr fertig war, wollte sie mich über den alternativen Nobelpreis für Ökologie vorschlagen.

In der Tat ist es ziemlich gruselig, was man zum Beispiel vor Hurghada oder andernorts oft für Schauspiele geboten bekommt. Und natürlich ist es auch völlig richtig, dass unachtsame Taucher Riffe schädigen, dass im Laufe der Jahre ganze Arten verschwunden sind – und dass vorallem im Kielwasser des Tauchtourismus eine ganze Menge angeschwommen kam, das mit Umweltschutz nichts, aber auch gar nichts zu tun hat.

Keine Korallen im Strömungsschatten

Die Taucher haben ihren schlechten Ruf in Sachen Umweltschutz unter anderem einem ganz natürlichen Phänomen zu verdanken. Jedes vorgelagerte Riff hat eine der Strömung abgewandte Seite. Jeder Taucher, der schon einmal einmal in den Tropen getaucht ist, weiß, wie es dort aussieht: ziemlich tot. Für schnorchelnde Schlauberger, die ja logischerweise meist in Lagunen oder im Strömungsschatten ins Wasser geworfen werden, ist der Fall dann sonnenklar.

Taucher

Verglichen mit dem, was auf natürlichem – oder nicht ganz natürlichem – Wege von der Natur jedes Jahr an Riffen zerstört wird, bewegen sich die von Tauchern verursachten Schäden im kaum messbaren Promillebereich. Ein Beispiel: Vor vielen Jahren galt das Südplateau des Careless-Riffs vor Hurghada als einer der schönsten und spektakulärsten Korallengärten der Welt. Tischkoralle reihte sich an Tischkoralle. Und dann kamen die Dornenkronen, genau die Dornenkronen die zwei Drittel des Korallenbestandes des Great Barriere-Reefs vor Australien gekillt hatten. Nach wenigen Wochen war das Careless-Südplateau vollständig vernichtet. Auf den Malediven fielen etwa 80 Prozent der Korallen dem Wetterphänomen El Nino zum Opfer. Soviele Taucher können gar nicht ausgebildet werden, dass sie nur einen Bruchteil dieser Schäden verursachen könnten.

Das alles ist jetzt kein Plädoyer dafür, wie eine Wildsau zu tauchen. Im Gegenteil: Ich habe in 25 Jahren Tauchen eine immer wieder verblüffende Erkenntnis gewonnen. Wer mit dem Tauchen beginnt, dessen Einstellung zu Natur und Schöpfung verändert sich sehr schnell, sehr nachhaltig. Das ist eine ganz andere Geschichte, als etwa beim Skifahren, Reiten oder Golfen, alles Sportarten, die man ja auch in der Natur betreibt. Tatsächlich muss man die wenigsten Taucher wirklich zur ökologioschen Sensibilität erziehen. Dafür sorgt das einmalige Naturerlebnis schon von selbst.

Selbst die Mülltrennung wird eingeführt

Doch das wirklich Spannende ist ja etwas anderes. In Ländern wie Ägypten oder auf den Malediven gäbe es heute vermutlich nicht einmal den Ansatz eines Umweltschutzgedankens, wenn es keine Taucher gäbe. Sie sind nämlich ein ganz wesentlicher Wirtschaftsfaktor. Zum Teil haben diese Länder ja schmerzlich erfahren, was es heißt, wenn die Taucher ausbleiben. Das Coral-Bleeching, also die Korallenbleiche, in Folge von El Nino war eine nationale Katastrophe für die Malediven. Man kann ja zur ägyptischen Umweltorganisation HEPCA stehen, wie man will, aber ohne Taucher gäbe es sie noch nicht einmal. Es hat lange gedauert, aber mittlerweile fließen die Abwässer in diesen Ländern weitgehend nicht mehr ungeklärt ins Meer. Tatsächlich gibt es in Ägypten auf den Straßen und Flaniermeilen in den Touristenorten inzwischen getrennte Mülleimer für eine Mülltrennung! Ob sie tatsächlich angenommen werden oder nicht, steht auf einem anderen Blatt. Aber sie sind da und ihre Akzeptanz wird genau so wachsen, wie sie einst für Bojen gewachsen ist. Vor Jahren war es üblich, dass die Tauchboote ihren Anker einfach ins Riff warfen. Auch etwas, was sich geändert hat.

Veränderungen brauchen Zeit, manchmal viel Zeit. Doch die Voraussetzungen für Veränderungen ist eine Änderung des Bewußtseins. Und hier hat das Sporttauchen mehr bewirkt als alle Greenpeaces oder WWFs auf dieser Welt zusammen. Wer am Riff von Umm Gamar vor Hurghada taucht, kann mit etwas Glück an der dritten Boje ein paar verbogene Metallstangen und eine Bodenplatte finden. Das sind die Überreste vom Haikäfig von Hans Hass. Aus diesem Käfig heraus harpunierte er in den 50er Jahren Haie. Kein Wunder, dass es heute dort keine mehr gibt. Doch Hass wandelte sich vom Haijäger zum bedingungslosen Haischützer. Das meine ich mit: Veränderungen brauchen Zeit.

Peter S. Kaspar

Bild: Manuela Kirschner/ Rotes Meer, nahe Abu Dabab