Reduziert auf das Maximum – die Eco-Lodges von RSDS
von Peter S. Kaspar
Einst war das Tauchen tatsächlich Abenteuer und nicht „nur“ Freizeitbeschäftigung. Insbesondere galt das für Ägypten. Die Mühen, um überhaupt zum Tauchplatz zu kommen, waren beträchtlich, die Weg dorthin oft abenteuerlich. Wer zum Beispiel in den siebziger Jahren de letzten Jahrhunderts mit einem normalen PKW von Kairo nach Safaga fahren wollte, war gut beraten, mindestens fünf Ersatzreifen an Bord zu haben. Manchmal reichten nicht einmal die. Taucher versuchten es mit Jeeps oder Unimogs. Platz sollte das Gefährt haben, denn schließlich musste alles mitgebracht werden. Nicht nur die Tauchausrüstung wurde da verstaut, sondern auch noch ein Kompressor, ein Schlauchboot, ein Außenbordmotor – für alles auch noch Treibstoff – und natürlich Zelte.
Bald kamen findige Ägypter auf die Idee, einfache Zelte an jenen Stellen aufzuschlagen, an denen immer wieder Taucher ins Wasser stiegen.
Der Rest der Geschichte gilt als bekannt. Die ersten Hotels wurden gebaut. Tauchbasen begannen die Küste zu bevölkern. Die Zeltdörfer verschwanden nach und nach, um luxuriösen Club-Anlagen Platz zu machen.
Eines dieser Zeltdörfer lag einige Kilometer südlich von Hurghada, in Sharm el Naga. Dort lernte der ägyptische Rechtsanwalt Housam Helmy 1979 das Tauchen. Jahre später begann er mit Red-Sea-Diving-Safaris selbst Tauchreisen anzubieten. Der Name weckt Assoziationen zu aufregenden Tauchkreuzfahrten auf schicken Jachten. Irrtum. Jahre lang bereiste Helmy die Küste des Roten Meeres mit einem mobilen Zeltlager. Küchenzelt, Tauchbasiszelt, Wohnzelte – alles war in wenigen Stunden auf oder abgebaut, die Logistik so gewählt, dass die Gäste entweder im Wasser oder unterwegs waren, wenn gerade die neue Infrastruktur entstand.
„Zwölf Jahre lang sind wir gereist und am Ende blieben drei Plätze übrig. Das waren die besten“, erzält Housam Helmi. Genau da wurden die Tauchernomaden schließlich sesshaft. Die drei Eco-diving Villages, Marsa Shagra einige Kilometer nördlich von Marsa Alam, Marsa Nakari, ein paar Kilometer südlich und schließlich Wadi Lahamy (Wadi La’chmi ausgesprochen) im tiefen Süden bilden nun den Kern der Marke Red-Sea-Diving-Safaris – wobei jedes Resort seinen eigenen Besitzer hat. Auch wenn es nun feste Standort gibt: Die Zelte sind geblieben und gehören nach wie vor zum Konzept, zugleich verfügen die Anlagen auch über gemauerte Häuschen und Chalets, ansprechende Restaurant und Cafes.
Das größte der drei Resorts ist Marsa Shagra. Auch hier gilt, wie in den anderen beiden Camps: Es dreht sich einfach alles ums Tauchen. Hier herrscht absolut animateurfreie Zone. Es gibt keinen Pool, keine Tennisplätze, keine Golfanlagen. Lediglich für Fußball und Volleyball hat man auf dem riesigen Gelände ein wenig Platz gelassen.
Die Anlage besteht aus rund 50 sogenannten Chalets, Bungalows in drei verschiedenen Ausstattungsvarianten, und etwa noch einmal soviel Zelten, die es in zwei verschiedenen Formen gibt. Das Royal-Tent bietet dabei deutlich mehr Platz.
Ist das nun der Öko-Anspruch? So richtig erschließt der sich nicht auf den ersten Blick. Es gibt keine großen Felder mit Solaranlagen und keine Windräder. Natürlich wird auf Müllvermeidung, -trennung und sparsamen Wasserverbrauch geachtet. Aber darauf legen auch andere Hotels Wert, ohne dass sie gleich das Label Öko im Namen tragen. Doch bei genauerem Hinschauen wird dann so manches klar.
Ungewöhnlich ist das Design des Village-Resorts. Die Bungalows reihen sich in einem Halbkreis auf einem kleinen Plateau und umschließen dabei ein mächtiges Feld Geröllwüste in einem Durchmesser von etwas mehr als 300 Metern. Das ganze erscheint wie eine enorme Platzverschwendung – oder enormer Großzügigkeit. Klar, es gibt eben keine Grünanlagen, die hier permanent bewässert werden müssen. Aber warum werden den Gästen lange Wege zugemutet, wenn sie etwa ins Restaurant wollen?
Housam Helmy lächelt, als habe er genau auf diese Frage gewartet. Er habe hier um die Bucht von Marsa Shagra 100.000 Quadratmeter Land erworben, berichtet er. Eigentlich ist das ein Wahnsinn, doch der hat Methode. Das Gouvernement hatte nämlich so seine eigenen Vorstellungen gehabt. An der Bucht hätten Clubs und Hotels mit 3000 Betten entstehen sollen – doch so sind es mit der Eco-Lodge gerade mal 250. „So viele Badegäste hätte die Bucht gar nicht vertragen“, rechnet Helmy vor.
So gehört die Bucht nun praktisch ausschließlich den Tauchern. Im sogenannten „Diving-Shade“ hat jeder Gast seinen Spind – und kann, wann immer er will ins Wasser gehen. Es gibt ein Nord- und ein Südriff, die beide über den direkten Strandeinstieg erreicht werden können. Mehrere Zodiak-Boote im Shuttleverkehr erweitern den Aktionsradius deutlich. Entweder lassen sich die Taucher absetzen und tauchen zurück, oder sie lassen sich absetzen und nach einer gewissen Zeit wieder aufsammeln.
Die Riffe sind leicht zu betauchen und fallen aus der Bucht kommend schnell auf über 30 Meter ab. Das marine Leben ist, dem Süden angemessen, vielfältig, Schildkröten, Weiß- und Schwarzspitzen-Riffhaie sind hier nicht selten.
Wem die Hausriffe nicht reichen, der hat auch noch andere Möglichkeiten. Zwei davon gelten als absolute Highlights. Da ist zum Beispiel der legendäre Strand bei Abu Dabab, jene Seegraswiese, die immer wieder Dugongs, marine Seekühe, anlockt. Schildkröten und Gitarrenrochen sind dort fast schon verlässlich anzutreffen.
Wer es gerne hart mag, kann von Marsa Shagra aus sogar bis ans Elfinstone-Riff gelangen. Allerdings dauert die Fahrt auf dem Zodiac-Speedboot etwa eine Dreiviertelstunde. Da heißt es einerseits wirklich seefest zu sein und außerdem ist auch ein stabiler Rücken gefragt. Bequem ist jedenfalls anders. Allerdings ist es auch richtig, dass Taucher, die Marsa Shagra besuchen, das Wort Bequemlichkeit nicht eben ganz oben auf ihrer Prioritätenliste gesetzt haben.
Eine weitere Tauchmöglichkeit gibt es zudem im Nachbarcamp Marsa Nakari. Dort ist die Bucht deutlich größer. Es gibt zudem zwei Einstiegsstellen für Nord- und Südriff. Das Tauchen läuft hier ganz ähnlich ab wie in Marsa Shagra. Insgesamt ist das Resort allerdings ein wenig kleiner. Dafür gibt es aber auch ein großes Boot, mit dem auch mal Tagestouren unternommen werden können.
Wer dann noch einmal hundert Kilometer in den Süden fährt, kommt zum Wadi Lahamy. Hier endet auch das touristische Ägypten. Von Lahamy aus in Richtung Süden gibt es fast nur noch Wüste. Entsprechend ist auch dieser letzte Vorposten des Fremdenverkehrs einzuschätzen. Gerade mal 55 Übernachtungsplätze gibt es hier am gefühlten Ende der Welt. Doch dieses lockt mit einigen der schönsten Tauchplätze im Roten Meer: Den Fury Shoals.
Morgens um sieben geht’s mit dem Speedboat zwischen 20 Minuten und einer halben Stunde hinaus zu Tauchplätzen, die sonst praktisch ausschließlich von Safaribooten angefahren werden. Shaab Maksour, Shaab Claudia oder Abu Galawa sind Namen, die einen ausgezeichneten Klang besitzen. Spektakuläre Korallen und Felsformationen, verbunden mit tollen Sichtweiten und Hochsee-Fauna machen das Tauchen dort zu einem wirklich einmaligen Erlebnis. Ein ganz besonderes Erlebnis ist das Tauchen durch das Riff Shaab Claudia. Lichtdurchflutete Kathedralen wechseln sich ab mit engen Höhlen und Grotten. Gut eine Stunde kann ein halbwegs geübter Taucher locker dort verbringen.
Am Nachmittag gibt’s noch eine weitere Tauchmöglichkeit, die aber dann nur zu den Riffen vor der Haustür, wie etwa Sha’ab Rur führt. Da dauert es gerade mal fünf Minuten mit dem Schlauchboot vom Strand aus, doch die Riffe dort sind kaum weniger aufregend, als die Hochseeriffe einige Kilometer weiter östlich.
Bis vor kurzem durfte auch nicht jeder in Wadi Lahamy tauchen. Tatsächlich akzeptierte die Basis nur Taucher ab AOWD, beziehungsweise CMAS 2-Stern und 50 geloggten Tauchgängen. Inzwischen ist es aber sogar möglich, einen Tauchkurs dort zu machen.
Zwischen den Tauchgängen sollte jeder Besucher schon genau wissen, ob er sich auch gut mit sich selbst oder mit seinen Mitreisenden beschäftigen kann. Es gibt zwar inzwischen eine Kitesurf-Station, die aber nur auf Anfrage geöffnet ist. Wenn die Riffe von Fury Shoals das Paradies für Taucher sind, dann ist es der Mangrovenwald, der sich dem Ressort anschließt, für Ornithologen. Hier nisten zahlreiche seltene Vögel. Da das Betreten der Mangroven verboten ist, sollte ein Feldstecher in Gepäck sein – so man an Vögeln interessiert ist.
Wer nicht taucht, kitet oder Vögel beobachtet, dem bleibt wirklich nur noch das Chillen – unterbrochen von den Mahlzeiten. Wenn im Camp wenig los ist, dann wird gegessen, was auf den Teller kommt. Sind mehr Gäste da, gibt es Büffet. Das Essen ist einfach, aber sehr gut. Und auch das unterscheidet Wadi Lahamy von Marsa Shagra. Auch dort schmeckt es ausgezeichnet, aber dort ist das Buffet überraschend vielfältig und abwechslungsreich. Manch erfahrene Ägyptenreisende erinnern sich noch mit einigermaßen großem Schrecken an die Küche so manchen Taucherhotels in den 90er Jahren. Das ist in den Eco-diving Villages der Red-Sea-Diving-Safaris definitiv anders, nämlich sehr viel besser.
Die drei Camps lassen sich recht gut miteinander kombinieren. Das Tauchen ist ähnlich organisiert. In allen drei Ressorts gibt es drei verschiedene Zonen fürs Tauchen, für die der Gast unterschiedlich berappen muss. Es gibt auch überall die Divingshades direkt am Ufer und so ist man sehr schnell im Wasser oder auf dem Schlauchboot.
Wer von Wadi Lahamy zurück nach Marsa Shagra kommt, erlebt übrigens so etwas wie einen kleinen Kulturschock. Plötzlich erscheint ihm, das eigentlich auch etwas abgelegene, Marsa Shagra wie ein Hort des pulsierenden Lebens.
Den Red-Sea-Diving-Safaris gelingt mit ihren Eco-Lodges ein spannender Spagat. Sie schaffen es die gestiegenen Ansprüche der Urlauber mit einem deutlichen Weniger zu befriedigen. Der Urlaub wird sozusagen auf das Maximum reduziert. Aber es ist ja auch wahr: Pool, Aerobic, Squashcourt, Nordic Walking und Aqua-Gymnastik braucht es für einen gelungenen Urlaub nicht wirklich und erst recht nicht für einen Tauchurlaub. Die Camps sind eben für Taucher da. Wer nicht taucht, ist zwar auch willkommen, muss aber dann eben selbst sehen, wie er sich beschäftigt.
Wer übrigens glaubt, dass ein Urlaub in Marsa Shagra, Marsa Nakari oder Wadi Lahamy deshalb eine Billigalternative am Roten Meer ist, der sieht sich getäuscht. Eine Woche entspricht etwa dem, was Urlauber auch in gehobeneren Hotelanlagen entlang der Küste bezahlen.
Am Ende beantwortet sich die Frage, warum es sich bei den Camps um Öko-Resorts handelt, ganz von selbst. Natürlich werden auch hier die einschlägigen Kurse und Events wie Fischzählung, Rifferhebung und Meeressäuberungen angeboten. Aber das ist es nicht. Ganz wenig Hotel auf ganz viel Gelände vermittelt auch ein völlig neues Gefühl für die Umwelt, das sich in einer großen und komplexen Clubanlage gar nicht einstellen kann.