Plastik fressende Seekuh

Lübecker Werft baut müllschluckenden Katamaran

Zu den ganz großen Problemen dieser Erde gehört die Meeresverschmutzung durch Plastikmüll. Dem will die Organisation One Earth One Ocean nun mit einem eigens dafür konstruierten Katamaran zu Leibe rücken.  Der wirkt zwar winzig angesichts der riesigen Probleme. Trotzdem ist es ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, der vielleicht bald Schule macht.

Das Märchen vom Müllstrudel

Der Name klingt schon dramatisch: The Great Pacific Garbage Patch, der große pazifische Müllstrudel. Sagenhafte Dinge werden über ihn erzählt. Vier Mal so groß wie Deutschland, doppelt so groß wie Texas, größer als die USA solle er sein. Der Müll aus Plastik und Kunstoff der da treibe, sei so dicht und dick, dass er Inseln Bilde, auf denen man gehen könne. Wenn es so wäre, dann würde man den Müll ja vergleichweise leicht wieder los. Doch so dramatisch das Bild auch sein mag, so falsch ist es auch. Allerdings ist die Realität viel dramatischer

Mehr Plastik als Plankton

Natürlich treiben in dem gigantischen Nordpazifischen Meeresstrudel viel Plastikmüll, wie übrigens in vier anderen Meeresstrudeln auf den Ozeanen ebenfalls. Was ins Meer gelang und nicht gleich untergeht, treibt fast zwangläufig eines Tages in einen dieser Strudel. Diese gigantischen Größenangaben beruhen allerdings auf Hochrechungen und dem Anteil von Mikroplastikteilchen gemessen auf dem Kubikmeter Wasser. Da liegt der Anteil im Nordpazifik inzwischen deutlicher höher als der von Plankton oder anderen Mikroorganismen. Wer nun dieses Mikroplastik abfischen will, sammelt damit unweigerlich auch Kleinstorganismen auf, die für das Meer und seine Bewohner unerlässlich sind. Tiere, die etwa auf Plankton angewiesen sind, werden mit der Zeit unweigerlich durch das Plastik vergiftet. Holt man den Mikroplastik-Müll heraus, verhungern diese Tiere.

Küstennahe Lösung

Um überhaupt eine Besserung zu erzielen, darf eigentlich kein Plastikmüll mehr ins Meer gelangen. Bislang ist das ein utopischer Wunsch. Allerdings ist es möglich, das küstennahe Plastik großflächig einzusammeln, ehe es in die großen Meeresströmungen gerät und sich dort langsam in seine Mikrobestandteile auflöst. Das dauert bei Plastik zwar ewig lange, doch es ist eben auch ein kontinuierlicher Prozess. Das Plastik verschwindet allerdings nie! Auf einer Werft in Lübek wird nun an einer Lösung gearbeitet. Der Katamaran, der auf den schönen Namen „Seekuh“ hört, soll nun dabei helfen, Plastikmüll den Weg in die großen Müllstrudel der Meere zu verlegen.

Zwei Tonnen Plastik unterm Kiel

Der zwölf Meter lange, solar betriebene Katamaran führt ein Netz unter seinen beiden Rümpfen, das in eine Tiefe von drei bis vier Meter reicht. Darin können bis zu zwei Tonnen Plastikmüll gesammelt werden. Dabei ist die „Seekuh“ ziemlich gemächlich unterwegs, nämlich mit Schrittempo. Der gesammelte Müll soll dann am Ufer recycelt werden. Der Katamaran selbst besteht aus acht Modulen und ist auf diese Art und Weise schnell zusammen und wieder auseinander zu bauen. So kann die „Seekuh“ relativ schnell von einem Ort zum anderen transportiert werden

Bald eine Herde „Seekühe“?

250.000 Euro kostet so eine Seekuh. One Earth One Ocean will den Prototypen jetzt erst einmal in küstennahen und in Binnengewässern testen. Ist die „Seekuh“ erfolgreich, will die Organisation weitere bestellen. Vielleicht wird ja bald eine ganze Herde von Seekühen auf den Plastikweiden vor den Meeresküsten grasen. Und dann wird man sie hoffentlich auch bald nicht mehr brauchen. Allerdings – da sind sich alle Experten einig: Das Seekuh-Projekt ist nicht die Lösung des eigentlichen Problems. Die Lösung ist die Vermeidung von Plastikmüll.

Text: psk Bild: oeoo