Kampf gegen die Geisternetze: Baltic Sea Heritage Rescue Projekt
Bei jedem Strandspaziergang kann man ihnen begegnen, kleine Stücke von abgerissenen Fischernetzen. Doch sie sind nur die Spitze des Eisbergs.
Vermutlich liegen hunderttausende von Tonnen Geisternetze auf dem Grund der Ostsee beziehungsweise sind an Schiffswracks hängen geblieben.
Diese Netze zerstören nicht nur die zum Teil historischen Wracks durch ihr Gewicht, sondern sind auch eine tödliche Falle für Fische, Schweinswale, Robben und Vögel, die darin hängen bleiben und elendig verenden. Die stetigen Wasserbewegungen führen dazu, dass sich kleine Plastikteile (aus-)lösen und sich mittelfristig als Mikroplastik in Fischen und somit auch in uns anreichern.
Das Baltic Sea Heritage Rescue Project (BSHRP) ist ein Projekt des gemeinnützigen deutschen Vereins Baltic Sea Nature § Heritage Protection Association e.V. (BSNHPA). In diesem Projekt engagieren sich ehrenamtlich Menschen aus vielen Ländern denen der Schutz der Ostsee über wie unter Wasser am Herzen liegt.
Wir finden und entfernen verloren gegangene Geisternetze, suchen, identifizieren und dokumentieren Wracks um sie zu schützen und ihre Geschichten lebendig zu erhalten. Das Baltic Sea Heritage Rescue Project arbeitet eng mit Universitäten, Ministerien und Archäologen sowie Museum zusammen.
Die Taucheinsätze werden in Tiefen bis 100 Meter durchgeführt. Es werden nur für die jeweilige Tiefe ausgebildete und erfahrene Taucher eingesetzt.
Unsere Ziele
Geisternetze aufspüren, bergen und für die fachgerechte Entsorgung sorgen. Wracks suchen, identifizieren, dokumentieren und schützen. Gemeinsame Projekte mit Fischereiverbänden und lokalen Fischern zum Schutz des Ökosystems der Baltic Sea.
Unser Kampf gegen die Geisternetze an den tiefen Wracks der Ostsee begann vor fünf Jahren in Litauen. Zunächst wollten wir nur mit Bildern und Videos auf das Problem aufmerksam machen. Sehr schnell wurde uns aber klar, dass das nicht reicht. Deshalb gründeten wir das “Baltic Sea Heritage Rescue Project”. Zu unseren Zielen gehört es Wracks, die tiefer als 40 Meter liegen zu suchen, zu identifizieren und zu dokumentieren. Zu dieser Dokumentation gehört, neben dem Zustand der Wracks und den vorhandenen Artefakten, auch eine Bestandsaufnahme der Geisternetze die wir am Wrack vorfinden. Wir kooperieren mit der archäologischen Abteilung der Universität Klaipeda, dem Lithuanian Sea Museum, diversen Ministerien und dem Estonian Heritage Board. Unter strenger Kontrolle und der Vorgabe die Wracks, die zum Teil mehr als hundert Jahre alt sind, nicht zu beschädigen, dürfen wir die Geisternetze von den Wracks bergen.
Das Ziel unserer Projektwochen 2018/19 war es das Wrack des 1914 gesunkenen Frachter Elbing IX von Geisternetzen zu befreien. Das Wrack ist 80 Meter lang und liegt in einer Tiefe von 50 Metern auf Grund. Es war von Bug bis Heck in Netze gehüllt. Teilweise befanden sich noch Schwimmkörper an den Netzen, die dafür sorgten, dass die Netze nicht auf dem Wrack lagen, sondern bis zu 20 Meter über dem Wrack schwebten. Das ist eine extrem gefährliche Situation für alle Meeresbewohner und uns Taucher. Die Bedingungen unter denen wir am Wrack arbeiten mussten lies nur den Einsatz von sehr erfahrenen Tauchern zu.
Bei jedem Tauchgang dokumentieren wir unsere Arbeit am Wrack, lokalisieren und überprüfen die Netze, die als nächstes geborgen werden sollen. Ein Teammitglied kümmert sich um die Sicherheit der Taucher unter Wasser. Auch die Bergung der Netze an der Oberfläche muss dokumentiert werden. Es müssen Berichte für Presse und unsere Kooperationspartner geschrieben werden und vieles mehr.
Die erfolgreiche Umsetzung unserer Ziele ist nur möglich mit einem starken Team und verlässlichen Partnern. Wir müssen sowohl an die Taucher, die uns helfen, als auch an unsere Ausrüstung die höchsten Qualitätsansprüche stellen. Besonders dankbar sind wir der Firma Bauer Kompressoren für ihre vielfältige und langjährige Unterstützung. Wir müssen uns auf einen funktionierenden Kompressor und saubere Luft verlassen können um die Sicherheit unserer Tauchgänge gewärleisten zu können.
Neben den Faktoren, die wir zum Teil beeinflussen können, wie Auswahl der Taucher und Ausrüstung, gibt es vieles worauf wir keinen Einfluss habe, von dem der Erfolg unseres Projektes jedoch sehr abhängt. Wetter, Corona und die Bereitschaft erfahrener Taucher uns in unseren Projektwochen zu unterstützen sind drei gute Beispiele dafür.
Von unseren 6 Projektwochen 2019 mussten wir 2 Wochen kurzfristig absagen weil das Wetter keine Ausfahrten zuliess. Eine weitere Woche war ich alleine auf dem Schiff, es hatte sich niemand angemeldet. In den verbleibenden 3 Wochen haben wir es geschafft unser Ziel für 2019, die Elbing XI von mehreren Tonnen Plastikmüll, in Form von Geisternetzen, zu befreien, zu erreichen. In den beiden Corona Jahren 2020 und 2021 war die Durchführung der Projektwochen nicht einfacher. Reisebeschränkungen, Quarantäneregeln und vieles mehr haben uns immer wieder einen Strich durch die Planung gemacht. Trotzdem konnten wir auch in diesen beiden Jahren zwei Wracks vor der litauischen Küste fast vollständig von verloren gegangenen Fischernetzen säubern.
Seit 2021 sind wir auch in der deutschen Ostsee vor Rügen aktiv. Im Mai und im Oktober haben wir am Wrack des fliegenden Holländers Netze geborgen. Mehr als 3,5 Tonnen Netze wurden vom Wrack entfernt. Der fliegende Holländer ist nun vollständig gereinigt. Doch es gibt auch vor Rügen noch sehr viel zu tun. Unsere Arbeit vor Rügen geht weiter und wir konnten Greenpeace als Kooperationspartner gewinnen. Greenpeace wird uns mit einer erfahrenen Tauchgruppe unterstützen.
In Litauen arbeiten wir an sehr alten Wracks. Daher sind wir auf die Genehmigungen der zuständigen Behörden und die Kooperation mit der Universität und dem Lithuanian Sea Museum angewiesen. Einige dieser Partner sind uns zu Beginn unserer Arbeit mit grosser Skepsis gegenübergetreten. Taucher stellten für sie eine grössere Gefahr für die Wracks dar als Geisternetze. Taucher wurden mit Plündern und Zerstören gleichgesetzt. Mit unserer Arbeit und vielen Gesprächen sind wir auf einem guten Weg diese Meinung zu verändern. Ein weiteres Ziel unseres Baltic Sea Heritage Rescue Projects ist daher auch der Schutz der Wracks vor Plünderung und Zerstörung.
Wir werden oft gefragt: „Warum Litauen?“ Und „Warum stationär östliche Baltic Sea?“ Die Antworten sind einfach. Litauen weil wir hier das erste Mal in diesem Ausmass mit der Problematik der Geisternetze konfrontiert wurden und weil niemand etwas dagegen unternehmen wollte. Und stationär östliche Baltic Sea (Litauen und Rügen), weil uns Nachhaltigkeit wichtig ist. Das geht nur wenn man hartnäckig ist und immer wieder über das Problem spricht und informiert.
Finanzielle Unterstützung der Projekte übernimmt teilweise der Verein Baltic Sea Nature and Heritage Protection Association e.V. für Schiffcharter, Spezialwerkzeuge und Abtransport der Netze zu den Aufbereitungsfirmen. Grössten Teils finanzieren wir unsere Arbeit aber aus eigener Tasche. Wer uns helfen möchte kann dies durch eine Mitgliedschaft im Verein Baltic Sea Nature Heritage Protection Association e.V. oder eine Spende an den Verein tun. Wir brauchen auch Taucher jeder Ausbildungsstufe und Nichttaucher die uns während der Projektwochen tatkräftig unterstützen.
Text und Fotos // Sabine Kerkau
Weitere Informationen unter mail@bsnhpa.org www.bsnhpa.org
Das Projekt wird unterstützt durch www.bauer-kompressoren.de