Ein Lied, den Schildkröten zu singen
Peter Subway setzt auf Kinder und Musik im Kampf um die Rettung der Meeresschildkröten
Hans-Peter Neuner lebt in Kreuzberg, doch unter diesem Namen kennen ihn wenige. Er ist als Peter Subway bekannt in dem Berliner Kult-Bezirk. Zu öffentlichen Anlässen wird er gerne eingeladen, wenn zum Beispiel in der Marheineke-Markthalle eine Ausstellung über den bekannten Cartoonisten Gerhard Seyfried eröffnet wird oder wenn das Willy-Brandt-Haus seine Pforten zur Nacht der Museen öffnet. Dann ist er es, der mit wechselnden Mitstreitern für die musikalische Untermalung sorgt. Längst ist der gebürtige Bayer ein Kreuzberger Original geworden. Ein bisschen Rock, ein bisschen Folk, häufig ist er mit schwarzem Schlapphut unterwegs, was dann durchaus als Hommage an Bob Dylan oder Johnny Cash zu verstehen ist – je nach Ausführung des Hutes.
Doch es gibt da noch eine andere Seite von Peter Subway, die viele seiner Fans ebenso wenig kennen, wie seinen bürgerlichen Namen. Regelmäßig entflieht er dem grauen Berliner Winter und zieht wie ein Zugvogel nach Süden, bis nach Indonesien. Als leidenschaftlicher Taucher hat der Divemaster dort zwischen Borneo und Ambon fantastische Reviere kennen gelernt. Irgendwann blieb es dann auch nicht aus, dass er mit einem Problemen konfrontiert wurde, dem Taucher unweigerlich begegnen, wenn sie häufiger in den Gewässern Indonesiens unterwegs sind: Der Umgang mit Meeresschildkröten.
Die gepanzerten Reptilien sind zwar inzwischen auch in Indonesien geschützt, doch bei 17.508 Inseln, ist das Verbot nicht leicht durchzusetzen. Auf fast allen der bewohnten Inseln Indonesiens stehen Meeresschildkröten und ihre Eier auch heute noch auf dem Speiseplan. Selbst auf der Ferieninsel Bali sind größere familiäre Zeremonien ohne Schildkrötensuppe schlechterdings nicht vorstellbar.
Auch Peter fiel es vor einigen Jahren auf., dass die Indonesier, die er als gastfreundlich, umgänglich und liebeswert kennen gelernt hatte, in Sachen Schildkröten oft stur und abweisend reagierten. Zunächst hatte er versucht, einzelne im Gespräch davon zu überzeugen, dass Schildkröten gerettet und nicht gegessen werden sollen. Sie hörten ihm auch zu, denn er sprach zu ihnen in ihrer Sprache. Peter hatte nämlich eigens Bahasa Indonesia, die hochindonesische Sprache gelernt, um sie mit den Menschen vor Ort auch unterhalten zu können. Doch dass Verstehen und Verständnis nicht unbedingt miteinander zu tun haben müssen, wurde im bald klar. Die Diskussionen verliefen meist fruchtlos im Sand.
Bald musste er einsehen, dass er gegen gewachsene Traditionen wohl kein Chance haben würde.
Peter Subway sing mit Kindern auf der indonesischen Insel Derawan sein Lied zum Schutz der Schildkröten: Menolong Kurakura
Während seinen Aufenthalten in Indonesien tauchte er nicht nur, sondern machte auch eine Menge Musik. Egal, wohin der reist, die Gitarre kommt mit. In seinem Repertoire hatte er auch ein Lied mit dem Namen „Good Luck, Bad Luck“, das ein kleines Märchen darüber erzählt, dass Glück und Pech oft gar nicht so leicht auseinander zu halten sind. Auf der Insel Sulawsi erlebte das Stück dann seine Uraufführung in Bahasa Indonesia – mit 60 sulawesischen Schulkindern als Back-Ground-Chor: „Beruntung, tidak beruntung“. Der Erfolg auf der fünfgrößten Insel Indonesiens brachte ihn auf eine Idee. Wenn die Erwachsenen keinerlei Verständnis für die Probleme der Schildkröten aufbringen, warum dann nicht bei der nächsten Generation anfangen. So schrieb er das Lied: „Menolong Kurakura“.
Der Inhalt ist in ganz wenigen Worten zusammengefasst: Iss keine Schildkröten, iss nicht ihre Einer. Lass sie einfach leben. Dazu eine fetzige Melodie und fertig war der Hit. So bereist Peter Subway nun im Winter die kleinen Inseln der Bandasee, der Floressee und der Celebessee. Wo immer er landet findet sich auch ganz schnell eine Schar von Kindern ein, die ihn umringen. Sofort zieht er die Gitarre heraus, singt erst mal das Lied von „Glück und Pech“, dessen Geschichte er inzwischen auch mit zwei Fingerpuppen vorspielen kann. Und dann bringt er ihnen das Lied von den Schildkröten bei. Die Melodie ist ebenso einfach wie eingängig, der Text ist es auch und noch bevor die Sonne untergeht, verbreitet sich die Botschaft von der Rettung der Schildkröten aus Hunderten fröhlichen Kinderkehlen über die Insel. Nicht immer gefällt das den Eltern – Schwierigkeit hat er deshalb aber noch nie bekommen.
Im Gegenteil, auf der Insel Derawan in der Celebessee war er mit seinem Lied sogar hoch willkommen, denn in Derawan steht ein Schutzzentrum für Meeresschildkröten, das oft einen sehr einsamen und vergeblichen Kampf gegen das Abschlachten der gepanzerten Echsen führt. Jemand wie Peter Subway kam da natürlich gerade recht. Und natürlich wollen sie dort auch dafür sorgen, dass das Lied weiterverbreitet wird und seine – in diesem Fall durchaus positiv gemeinte – zersetzerische Wirkung über ganz Indonesien verbreitet.
Text: Peter S. Kaspar Foto: hpn/fb