Dive in the City
Wer farbenfrohe Korallen liebt, bunte Fische und warmes, kristallklares Wasser, der wird an Ägypten kaum vorbeikommen. Das Rote Meer bietet so ziemlich alles, was das Tauchen schön und angenehm macht. Es gibt also kaum einen Grund, warum es ein Taucher mit der Nordküste versuchen sollte. Das Wasser ist viel kälter, viel trüber, Korallen gibts gar keine und wenn man einen Fisch trifft, dann kann es gut sein, dass es ein alter Bekannter aus dem Roten Meer ist, den ein trauriges Schicksal und die Lessepssche Migration ins Mittelmeer getragen haben.
Das dürfte wohl eine ausreichend gute Begründung dafür sein, dass es an der ganzen Nordküste Ägyptens genau eine einzige Tauchbasis gibt und die gehört dem Tauchmediziner und Wracktaucher Dr. Ashraf Sabri. Und sein Center liegt mitten im Alten Hafen von Alexandria, unweit der mächtigen Zitadelle, dem Ort, an dem einst der Leuchtturm von Pharos stand, jenes 160 Meter hohen Bauwerkes, das zu den sieben antiken Weltwundern gezählt wird. Und spätestens an diesem Punkt sollte man alle farbenfrohen Korallen und bunten Fisch hinten an stellen. Denn genau zu den Überresten des sagenumwobenen Leuchturm bringt einen die Crew von Dr. Ashraf. Oder zu jener römischen Galeere undweit der Leuchtturmtrümmer, oder zum einstigen Palast von Königin Kleopatra. Oder zu maritimen Zeugnissen zweier Weltkriege.
Warum es sich lohnt, in Alexandria zu tauchen
Wer hier, mitten in einer Sieben-Millionen-Stadt tauchen will, muss vor allem eines mitbringen: Interesse für Geschichte und ein wohliges Gefühl, wenn einen der historische Schauer erfaßt – und er muss gut Tauchen können. Obwohl es nicht besonders tief hinunter geht und auch Strömungen keine besonders große Rolle spielen, sind diese Plätze nichts für Anfänger. Das Wasser ist nicht eben tropisch warm (allerdings noch bedeutend wärmer, als der heimische Baggerssee), und die Sicht ist schlecht bis hundsmiserabel. Vor allem, wenn es aus den schützenden Kaimauern des Alten Hafens hinaus geht, türmen sich die Wellen bisweilen meterhoch. Das wäre schon in einem handelsüblichen ägyptischen Tauchboot, also einem knapp 20 Meter langen, dreistöckigen Kabinenkreuzer beängstigend, doch hier in Alexandria geht es mit kleineren Hafenbarkassen zu Tauchen, kaum zehn Meter lang! Mut und ein stabiler Magen sind da nicht die schlechtesten Voraussetzungen.
Insgesamt 11.000 archäologische Artefakte erwarten die Taucher in Tiefen zwischen 17 und fünf Metern. Für den Laien sind am einfachsten die zahllosen Amphoren zu erkennen, die ein römisches Wrack beherbergt, das unweit der Zitadelle liegt. Auch Säulenfragmente sind einfach zu erkennen. Schwieriger wird es schon bei Statuen oder anderen Gegenständen. Alles ist überwachsen oder von Schlamm bedeckt. Doch der Tauchguide weiß, welche Stelle er säubern muss, damit eine römische Inschrift oder gar ägyptische Hiroglyphen erscheinen. Gelernte Archäologen können Stunden an einem Ort verweilen und sich nicht satt sehen an Stellen, an denen sich Laien nur nachdenklich den Hinterkopf kratzen, weil sie nun partout nichts erkennen können. Und so hat das Tauchen an manchen Stellen auch viel mit Kopfkino zu tun. Das gilt vor allem, wenn man Kleopatras versunkenen Palast auf der einstigen Insel Antirhodos bestaucht. Hier sind es kaum fünf Meter. Eine gute Tarierung ist an dieser Stelle also ein absolutes Muss.
Natürlich kommt einem Kleopatra in den Sinn, die auch im Kopf aussieht wie Elizabeth Taylor und Julius Caesar alias Rex Harrison. Unwirkürlich schießt einem in fünf Metern Tiefe die Frage durch in den Sinn, ob man gerade über die Stelle hinweg taucht, an der sich Kleopatra in einem Teppich gewickelt vor Caesar ausrollen ließ. Darüber kann Dr. Ashraf nur lachen. „Nein, diese Geschichte mit dem Teppich hat gar nicht in Alexandria stattgefunden. Kleoptra ließ sich in einem Teppich nach Rom schmuggeln.“ Aber Kleopatra und ihre spätere großeLiebe Marcus Antonius hätten sich in diesem Palast das Leben genommen und deshalb würden die Fischerfrauen von Alexandria heute noch an die Stelle des Palastes hinaus fahren und Münzen ins Wasser werfen. Das solle ihre Männer wieder gesund nach Hause bringen.
Von Münzen ist auf dem Tauchgang nichts zu sehen. Der Taucher ist ja schon froh, wenn er noch die leuchtend gelben Flossen des Guides noch sehen kann. Es ist nicht immer leicht Said zu folgen, denn er legt schon ein strammes Tempo vor. Das ist kein Wunder, denn außer Kleopatras Palst ist ja auch noch jener zweimotorige Bristol Beaufort Bomber abzuarbeiten, der während dese zweiten Weltkrieges buchstäblich vor dem Palast gelandet ist. Mit einer halsbrecherischen Notwasserung hatte die dreiköpfige Besatzung einen Crasch mitten in den Stadt vermieden und dabei selbst ihr Leben aus Spiel gesetzt. Alle drei überlebten. Der Bomber ist noch realtiv gut erhalten – zumindet ist er noch als solcher zu erkennen.
Als wäre die pharaonische, griechisch-römische und moderne Zeit nicht schon genug an Geschichte. Ein weiterer Tauchplatz nicht weit entfernt liegt in der Bucht von Abu Kir. Bei wem es an dieser Stelle klingelt, sollte dort mal tauchen gehen. Ja, es ist genau die Stelle, an der Napoleons Flotte 1798 gegen die Briten die erste deftige Niederlage einstecken mußte, ehe dann Trafalgar folgte. Auch hier gibt es eine Menge zu entdecken.
Vieles ist inzwischen auf dem Trockenen und derjenige, bei dem das Kopfkino versagt, der hat die Chance eine Menge der Artefakte, die bis vor wenigen Jahren auf den Meeresboden schlummerten, in live und in Farbe zu bewundern. Einiges ist zum Beispiel an den Ausgrabungsstellen des Römischen Theaters im Zentrum Alexandrias ausgestellt. Im Museum von Alexandria sind die drei wesentlichen Epochen der Stadt, pharaonisch, griechisch-römisch und byzantische sowie koptisch und arabisch auf drei Ebenen dargestellt – und dabei geht es ja gar nicht ohne die Funde aus dem Mittelmeer.
Fazit: Tauchen in Alexandria ist sicherlich keine Alternative zum Tauchen am Roten Meer. Doch wer nach Ägypten reist und Freunde an den Pyramiden, am Karnaktempel oder dem Tal der Könige hat, der wird sich sicherlich auch für Alexandria begeistern können. Und wenn er dann noch ein gute Taucher ist, dann ist ein besuch in Kleopatras Palast natürlich Pflicht – dafür gibts dann auch noch eine Urkunde. Es ist auch problemlos möglich, eine Woche Tauchurlaub in Alexandria zu machen. Immerhin gibt es ja auch sechs Wracks aus dem ersten und zweiten Weltkrieg zu betauchen. Wer sich dafür entscheidet, muss sich allerdings darüber im Klaren sein, dass er in einer weitgehend naturbefreiten Zone unterwegs ist. Geschichtsbegeisterte und Technikfreaks werden aber voll auf ihre Kosten kommen.
Mehr Informationen über das Tauchen in Alexandria gibt es hier: www.alex-dive.com
Text und Fotos: psk