Die Ostsee ist zu laut
Große Bestandsaufnahme in Nord- und Ostsee
Der Meeresboden von Nord- und Ostsee wird erstmals flächendeckend kartiert. Auf der Forschungskonferenz des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) im Ozeaneum in Stralsund wurden unter anderem die Ergebnisse der Sediment- und Benthoskartierungen vorgestellt. Im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Konferenz stehen die Ergebnisse von mehrjährigen Forschungsprogrammen des BfN zum Monitoring sowie zur Erforschung mariner Lebensräume und Arten in der deutschen Nord und Ostsee. Erstmalig in diesem großen Umfang werden die Lebensgemeinschaften der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone von Nord- und Ostsee über einen langen Zeitraum systematisch mit international anerkannten und zum Teil richtungsweisenden neuen Methoden untersucht. Viele Forschungsergebnisse bilden die Grundlage für zukünftige Managementmaßnahmen in den marinen Schutzgebieten, auch für Maßnahmen zum Fischereimanagement. „Notwendige Managementmaßnahmen in den Schutzgebieten und ergänzende Schutzmaßnahmen in der Fläche müssen gut begründet sein und auf einer soliden Datengrundlage beruhen. Die nun vorliegenden qualitativ hochwertigen Forschungsergebnisse liefern uns diese Daten. Sie bringen uns ein großes Stück auf dem Weg zu einem nachhaltigen Schutz mariner Lebensvielfalt in Nord- und Ostsee weiter,“ sagte BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel.
Vom Boden bis zu den Vögeln
In den Forschungsprojekten wurden in Nord- und Ostsee die Lebensräume und Arten vom Meeresboden bis zu den Seevögeln an der Wasseroberfläche erfasst. Dabei wurden ihr Status, Bestandstrends und Gefährdungen durch menschliche Eingriffe bewertet. Auf der Konferenz werden erstmals die Ergebnisse der flächendeckenden Sediment- und Benthoskartierungen vorgestellt.
Lärmbelastung durch Offshore-Parks
In mehreren der Forschungsprojekte wurden parallel zum Monitoring der Arten und Lebensräume wichtige Einflüsse des Menschen erfasst und in ihren Auswirkungen für die marine Lebensvielfalt untersucht und bewertet. Dies betrifft beispielsweise Schweinswale: So konnten die Wissenschaftler/innen des Projektes „Unterwasserschall“ durch Messungen des Hintergrundschalls in den Schutzgebieten der Ostsee nachweisen, dass die Lärmbelastung unter Wasser im Fehmarnbelt und der Kadetrinne erheblich ist, bedingt durch das hohe Schiffsaufkommen in dieser Region. Für die dort vorkommenden Schweinswale sind danach permanent mehrere Schiffe in Hörweite. Dänische Forscher ermittelten in Auftrag des BfN bei einzelnen freilebenden Schweinswalen der Beltsee, die mit Sendern ausgestattet wurden, deutliche Verhaltensänderungen bei Bootslärm. Weiter nach Osten, in den Schutzgebieten der Pommerschen Bucht, sind über lange Zeiträume ausschließlich natürliche Geräusche zu hören. In der Nordsee beeinflussen die Bauarbeiten für Offshore-Windparks die „Lärmkulisse“ für Kleinwale zusätzlich zum Hintergrundschall erheblich und damit ihre Möglichkeiten zur Nahrungsaufnahme, Paarung und Jungenaufzucht. „Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig Rückzugsgebiete für die bedrohten Schweinswale sind“, erklärte Beate Jessel. „Daher sind auch differenzierte Managementpläne für Schweinswale in der Nord- und in der Ostsee, wie sie ebenfalls im Rahmen der Forschungsprojekte mit dem BfN entwickelt werden, zukünftig von besonderer Bedeutung.“
Wissenschaftler/innen erfassten außerdem erstmals intensiv und flächendeckend die Benthos-Gemeinschaften (Gesamtheit aller in der Bodenzone des Meeres, vorkommenden Lebewesen) auf dem deutschen Teil der Doggerbank. Die Abgrenzung der hier vorgefundenen Sandbodengemeinschaften hilft nun bei der Grenzziehung des geplanten Ausschlussgebietes für Boden-Schleppnetzfischerei auf dieser einzigartigen Sandbank in der Nordsee. Ziel ist es, Teile des Natura 2000-Schutzgebietes Doggerbank vor mechanischen Zerstörungen der Benthos-Gemeinschaften zu schützen.
Text:pm Foto:Nikater/wp