Das neue Buch von Ralf Kiefner „Haie haben keine Hände“

Ende letzten Jahres ist ein Buch über Haie („Haie haben keine Hände – Spannende Erlebnisse mit Haien“) von Ralf Kiefner erschienen. 

SILENT WORLD hat Ralf Kiefner zu seinem neuen Buch interviewt.

Ralf Kiefner taucht seit 1975 und arbeitet seit Anfang der 1990er Jahre erfolgreich als Autor sowie als Tier- und Unterwasserfotograf, Unterwasserkameramann und Produzent. Neben Büchern und Filmen hat Ralf eine Whaleguide App (für Apple und Android) gemacht. Seine Dokumentationen wurden weltweit ausgestrahlt und auf internationalen Filmfestivals ausgezeichnet. Für ihn und seine Frau und Biologin Andrea Ramalho, die auf vielen Bildern in diesem Buch zu sehen ist, stehen immer der Respekt vor den Tieren und ihr Schutz im Vordergrund.

Wie kam es zu der Titelauswahl „Haie haben keine Hände“? Das dies so ist, weiß doch eigentlich jeder.
Im Gegensatz zu allen anderen Produktionen, bei denen der Titel meist ganz zum Schluss festgelegt wird, stand dieser Titel von Anfang an fest. In meinem Buch beschreibe ich spannende Erlebnisse mit Haien, die wir bei unseren Produktionen für TV und Magazine mit Haien erleben durften. Und der Buchtitel hat sich einfach aus dem Verhalten der Tiere ergeben. Man muss wissen, dass wir meist Köder verwendet haben, damit die Haie möglichst nah kamen. Dabei wollten wir die Tiere nicht füttern, sondern nur anlocken. Dann muss man sich einfach nur mal in die Rolle des Hais versetzen: Er folgt einer Duftspur, an deren Ursprung er etwas Leckeres zu fressen erwartet. Dort findet er jedoch keine Beute, stattdessen tauchen dort merkwürdige, ihm unbekannte Wesen. Haie gehen nicht in eine Schule, in der sie lernen: Diese komischen, unbeholfenen Wesen mit den bunten Flossen und der Blechbüchse auf dem Rücken, bei denen Luftblasen aus dem Kopf kommen, eignen sich nicht als Beute, weil sie nicht nahrhaft genug sind. Und jetzt kommen wir zum Buchtitel: Wenn Haie ihr Gegenüber genauer erkunden wollen, kommt es irgendwann unweigerlich zu Körperkontakt. Sie stupsen ihr Gegenüber an oder setzen einen wohl gemeinten Probebiss an. Dabei beißen sie jedoch nicht wahllos um sich, sondern versuchen die erste vorsichtige Berührung mit der Schnauzenspitze, an der sich viele empfindliche Sensoren befinden, herbeizuführen. Wir empfanden diese erste Kontaktaufnahme der Haie nicht als Angriff, sondern wie eine Art „Handschlag“, sozusagen wie ein Hai-Five. Fast so, als würde man sich einander vorstellen, nur eben ohne Hände.

Für die Tier-Aufnahmen in diesem Buch bist Du in vielen Meeren mit Haien getaucht. Gibt es Begegnungen mit Haien, die „gefährlich“ für Dich waren?
Natürlich gab es in all den Jahren viele brenzlige Situationen bei unseren Produktionen. Jedoch waren wohl nur etwa zwei Situationen dabei, an denen Haie beteiligt waren. Alle anderen riskanten Situationen ereigneten sich bei Begegnungen mit anderen Tieren und bei den Dreharbeiten.

Welchen Rat kannst Du an unsere Leser geben, die auch mal Haie von ganz nah betrachten und fotografieren möchten?
Wenn man als Taucher einem Hai begegnet, sollte man unbedingt Ruhe bewahren und die Situation genießen! Man soll keine Angst vor ihm haben, aber Respekt! Zudem sollte man sich und dem Tier Zeit geben, Vertrauen aufzubauen und man sollte sich auf keinen Fall hektisch bewegen oder gar versuchen, vor ihm wegzuschwimmen. Wer sich wie Beute verhält, wird auch so behandelt. Haie haben Zähne und natürlich wissen sie diese auch sehr wohl zu nutzen. Und Haie sind definitiv schneller als wir! Wenn sich dann vielleicht mal ein Hai nähert, um sein Gegenüber genauer zu untersuchen, hält man ihm die Kamera hin. Vielleicht wird er dann vorsichtig daran knabbern oder sie anstupsen. Wenn man keine geeignete Kamera dabeihat, einfach kräftig durch den Automaten ausatmen. Einige Arten kann man auch einfach mit beiden Händen sanft nach unten und zur Seite wegschieben. Natürlich sollte man auch keine Aktionen gegen den Willen der Tiere unternehmen. Man darf nie vergessen, dass man sich in ihrem Reich befindet. Man ist Gast in ihrer Umwelt und entsprechend sollte man sich ihnen gegenüber verhalten. Alle Aufnahmen bei unseren Produktionen und für das Buch waren nur möglich, weil es die Tiere uns erlaubt haben!

Warum hast Du ein Buch über Haie geschrieben?
Bei unseren Hai-Dokumentationen oder -Fotoreportagen und natürlich auch bei diesem Buch steht immer der Schutz der Tiere im Vordergrund. Wir wollen über die Tiere informieren, durch spektakuläre Bilder auf sie aufmerksam machen und für die Bedrohungen der Haie sensibilisieren. Zugleich möchten wir ihre unglaubliche Schönheit zeigen und unsere Faszination für diese einzigartigen Geschöpfe auch bei anderen wecken. Wir wollen aufzeigen, wie wundervoll und schützenswert diese Tiere sind. Unser Ziel ist es, den Menschen vor Augen zu führen, dass Haie keine Monster oder Bestien sind! Wir versuchen zum Schutz der Tiere beizutragen, indem wir durch hautnahe, friedliche und harmonische Interaktionen mit diesen Meeresräubern ihr unverdient negatives Ansehen korrigieren und ihr blutrünstiges Killerimage widerlegen. Haie sind natürlich auch keine Streicheltiere, aber auch keine Monster, sondern ganz normale Raubtiere.

Warum müssen Haie geschützt werden?
Zurzeit werden etwa hundert Millionen Haie jedes Jahr durch Langleinen- und Netzfischerei getötet. Haie stehen an der Spitze der marinen Nahrungskette und haben geringe Reproduktionsraten. Bei einigen Hai-Arten wurden die Bestände bis heute um etwa 80 % reduziert. Wissenschaftler befürchten, dass viele Hai-Arten innerhalb von zehn Jahren ausgerottet sein werden, mit fatalen Folgen für unsere Meere und für unser Leben!

Haie erfüllen eine sehr wichtige Regulationsfunktion im Ökosystem Meer. Studien in der Karibik belegen zum Beispiel, wie sich durch das Fehlen von Haien die eingespielte Nahrungspyramide alarmierend verändert. Dominante Fischarten, die sich von Algen fressenden Fischen ernähren, können sich explosionsartig vermehren, weil die Haie ihren Bestand nicht mehr kontrollieren. Die Folge ist, dass die Algen fressenden Fische aus dem Riff verschwinden, weil sie von dominanten Fischarten aufgefressen wurden. Danach kann ein unkontrolliertes Wachstum der Algen erfolgen. Die Riffe werden dann von Algen überwuchert und entziehen den Korallenpolypen das lebensnotwendige Licht, bis schließlich die Riffe absterben und alle anderen Fischarten abwandern. Mit katastrophalen Folgen, zum Beispiel für den Fischfang an den Küsten vieler Entwicklungsländer.

Infos zum Buch
Haie haben keine Hände – Spannende Erlebnisse mit Haien
176 Seiten
42 Farbabbildungen
ISBN: 978-3-86935-427-9
Preis: 29,90 Euro
www.verlag-ludwig.de

Text: SW Foto: Ralf Kiefner